Das alles strahlt der Künstler Jens Dornheim nicht aus, wenn er einem Gast an seinem Küchentisch in Essen gegenüber sitzt. Ein ruhiger, freundlicher, charismatischer Mann Anfang 40, der sich gern dezent elegant kleidet, dessen Regale mit vielen Büchern, Filmen und Musik-CDs ein breit gestreutes kulturelles Interesse verraten, der mit dem von ihm mitgegründeten „Theater Glassbooth“ bereits eine Reihe viel diskutierter Stücke auf die Bühne gebracht hat, der auch sein Brot im kulturellen Bereich verdient und zwar als Mitarbeiter der Neuen Galerie Gladbeck. Und der zudem auch kleine Skulpturen aus gebranntem und emailliertem Ton erschafft. Diese jedoch fesseln den Blick sofort mit ganz anderen Qualitäten. Unheimliche, düstere Gestalten, Büsten oftmals, gequält verzogene Gesichter, deformiert und aufgelöst, skurril und karikaturenhaft, auf eine sehr eigene Art auch komisch. Das Wort, mit dem er selbst sie noch am ehesten beschreiben würde: abgründig. Nein, kommt Jens Dornheim jedem Verdacht zuvor, in seinem Kopf steckten keine Monster und die Figuren seien nicht Spiegel seines Innersten. Allerdings hat er, das ist unübersehbar, ein Faible für alles Absonderliche, Fantastische, Grenzwertige. Als Kind, so erzählt er, habe ihn der „Struwwelpeter“ fasziniert, besonders die Szene, in dem ein Schneider einem unartigen Jungen zur Bestrafung mit seiner großen Schere die Daumen abschneidet. Bis in den Schlaf habe ihn das Bild dieser plötzlich ins Zimmer springenden Gestalt verfolgt. Genauso gruselig, aber trotzdem in gleicher Weise unwiderstehlich, empfand er die Geschichte „Von einem der auszog das Fürchten zu lernen“. Immer wieder bat er die Großmutter, sie ihm vorzulesen. Auch später im Leben folgte er dieser so ganz eigenen grauen Ästhetik und ist heute sehr bewandert, was das Abgründige in der bildenden Kunst, im Film, aber auch auf der Bühne angeht. Für sein „Theater Glassbooth“ wählt er gezielt selten gespielte Stücke mit düster verschrobenem Charakter und teils brisanten Themen aus. Ein Spiel mit Grenzen. Und nicht jedermanns Geschmack. Wie auch seine Skulpturen stets sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Begriffe wie Schönheit und Hässlichkeit verlieren in Jens Dornheims Kunst an Bedeutung. In den Graubereichen zwischen Anziehung und Unbehagen findet er seine Faszinationsmomente. Und Faszination, auf die eine wie auf die andere Art, ist für ihn das, was Kunst ausmacht. Denn was wäre das Leben ohne jenes schwer zu fassende ... Andere?
Für die Galeristen der Galerie Tellerrand Jesse Krauß 1. August 2014 > WEITER
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D as erste Mal habe ich im Kunstunterricht in der Schule eine Tonskulptur modelliert. Das müsste in der Mittelstufe gewesen sein. Ich weiß noch, dass mir das auf Anhieb sehr lag und unglaublich leicht fiel: Das feste, aber dennoch weiche Material, das ich nach meinen Vorstellungen verändern konnte. Mein Kunstlehrer war damals ziemlich angetan von dem Ergebnis, und ich weiß noch, dass ich auch sehr stolz auf die Skulptur gewesen bin. Ich weiß nicht mehr genau, wie sie aussah, aber es war ein Kopf. Leider habe ich sie nicht mehr. Ich bin danach aber nicht in einen Laden gelaufen, um mir direkt Tonmasse zu kaufen: In der Pubertät war ich einfach durch zu viele andere Dinge abgelenkt.
Der Zeitpunkt, an dem ich bewusst über eine künstlerische Verwirklichung nachdachte, kam erst während meines Studiums (nicht der Kunst, sondern der Germanistik und Anglistik) Mitte der 1990er Jahre. Bis dahin hatte ich eigentlich nur Karikaturen als Auftragsarbeiten angefertigt. Diese waren zumeist karikierende Portraits – zu gesellschaftskritisch-politischen Karikaturen eines Deix fehlten mir die Ideen (und die Klasse) und zu Comic Strips, die mich insbesondere in meiner Jugend begeistert haben, schlicht die Geduld. Da erinnerte ich mich plötzlich an einen meiner ganz raren Schulmomente, wo ich ein Lob bekam: „Das musst Du weitermachen, Du hast Talent“ höre ich Kunstlehrer Bendik noch immer sagen (wenn die Glücksmomente in der Schule derart rar sind, kann man sich das erstaunlich gut merken). Diesmal bin ich also los, habe mir Ton gekauft und direkt drauf los modelliert. Das Ergebnis war allerdings nicht so beeindruckend, vor allem, weil ich ja keinen Brennofen zu Hause stehen hatte. Ungebrannter Ton bröckelt stark und sieht auch nicht so gut aus. Nun, um einen Brennofen zu nutzen, habe ich mich dann einfach bei einem Töpferkurs der VHS, damals in Gelsenkirchen, angemeldet. Viele belächeln diese Tatsache und fragen, ob ich dort mit älteren Damen Vasen gemacht habe. Nein, das habe ich natürlich nicht. Die Kursleiterin, Heike Klinger, hat mir damals viel beigebracht was das Erlernen der richtigen Technik angeht. Denn Anfangs sind mir viele schöne Köpfe im Brennofen explodiert: Sie waren nicht richtig bearbeitet, ausgehöhlt und sachgemäß getrocknet worden. Als ich 2005 zum Gladbecker VHS Kurs wechselte, wurde die gute (technisch-formale) Schule von Kornelia Jockenhöfer weitergeführt. Hin und wieder treten noch Risse in meinen Skulpturen auf, wenn ich wieder etwas zu hastig (oder zu sehr in Gedanken versunken) modelliert habe, aber es ist selten geworden. Ich habe den Gang in die VHS-Kurse jedenfalls nie bereut (danke Konni, danke Heike - beide sind übrigens selbst auch Künstlerinnen, die Malerei und Plastik fertigen). N ebenbei bemerkt war die Belegschaft in den Töpferkursen sehr nett, und ich kam überaus gut zurecht mit den Teilnehmerinnen (ja, ich war der einzige Mann). Der Altersdurchschnitt und das Spektrum der dort gefertigten Dinge war in etwa so, wie sich das meine Kollegen auch lebhaft ausgemalt hatten. Meinen Skulpturen wurde folgerichtig zunächst mit Skepsis wenig später aber auch mit offener Abscheu begegnet. „Da kriegt man ja Albträume!“ waren regelmäßige Ausrufe, die mir oft entgegenschallten und sich schließlich zu ernsthaften Sorgen manifestierten: „Vielleicht solltest Du mal psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen“, so wurde mir einmal ohne jeden Scherz geraten. Ich bin dem immer mit einem breiten Lächeln begegnet und habe einmal gesagt: „Nein. Das IST meine Therapie.“
Das stimmt aber so auch nicht ganz. Ich habe das Töpfern nie gemacht, um mich zu therapieren. Ich habe auch keine „Monster“ in meinem Kopf. Es war einfach eine für mich passende Ausdrucksform. Nur sind die Skulpturen und das Theater, in dem sich meine Vorlieben in der Wahl der Stoffe ebenso wiederfinden, wahrscheinlich schon ein Vehikel, um diese dunkleren, abseitigen, grotesken oder wahnsinnigen Seiten kreativ auszuleben. Man muss meine Sachen nicht mögen, weder auf der Bühne noch in der bildenden Kunst. Aber ich glaube, dass sie zur Auseinandersetzung zwingen. Sie sind mit sehr viel Leidenschaft gemacht worden. Sie ist mein Motor, mein Antrieb. Den Frauen des Töpferkurses ist es dann irgendwann gelungen, meine Arbeiten mit etwas mehr Gelassenheit und auch Humor zu sehen und die Angst vor mir zu verlieren. Schließlich akzeptierten sie mich als einen „netten Sonderling“ nach dem Motto: „Na, der Jens, was macht er denn heute wieder für eine Horrorshow?“ Dennoch erlebe ich bis heute, dass einige Menschen mit meinen Figuren Schwierigkeiten haben oder sie zumindest nicht einfach an ihnen vorbeigehen können. So oder so scheinen sie den Betrachter nicht kalt zu lassen, auch wenn man sie nicht mag. Gerade das ist mir auch wichtig, dass sie den Betrachter nicht kalt lassen. Ich selbst empfinde meine Skulpturen gar nicht als etwas Unheimliches oder Schreckliches, vielmehr haben sie für mich eher ein gutes Karma. Wenn ich sie unter spirituellen Gesichtspunkten betrachte, würde ich sogar sagen, dass sie böse Geister eher fernhalten sollen. Wobei das aber nicht die einzige oder gar die grundsätzliche Intention wäre, diese Skulpturen zu modellieren. Auch sollte man nicht vergessen, dass ich anfangs viele Karikaturen gezeichnet und schon damals bemerkt habe, dass unter meinen Fingern fast alles unweigerlich auch einen grotesk-karikaturistischen Zug annimmt. Eine Art abgründiger Humor ist also immer mit dabei. Dafür habe ich wohl ganz generell eine Vorliebe, und das setzt sich zum Beispiel auch bei der Auswahl der Stoffe für meine Theaterarbeit fort. Definitiv ist das kein Mainstream, sondern eher Underground. Ganz sicher hatte ich schon immer ein Faible für eine – wenn man es so nennen will – „Ästhetik des Hässlichen“. I ch glaube, dass ich mich in den Skulpturen auch weiterentwickelt habe (im Theater, nebenbei bemerkt, aber genauso), wäre ja auch traurig wenn nicht. Stillstand kann ich nicht ertragen. Wenn ich mir jetzt meine erste Arbeit „Spiegel mit einer Hommage an Jan Svankmajer“ von 1997 ansehe, weiß ich, dass ich den heute so nicht mehr machen würde. Die Figuren sind zwar gut modelliert, aber vom Ausdruck her passt der schon eher in einen Gothic-Laden. Doch zum Einstieg und der Erkundung des Themas „was kann ich mit Ton alles machen?“ war das schon in Ordnung. Der wesentlich weniger spektakuläre König „Ubu“, der kurze Zeit später entstand, gefällt mir hingegen auch heute noch sehr. Er trifft auch mehr das intuitive Arbeiten mit Ton, so wie ich es heute (fast) immer tue. Mit den wenigen Arbeiten, die frei nach Fotovorlagen entstanden, wie „Nietzsche“ oder „Nosferatu“, habe ich eher mein Auge und meine Fingerfertigkeit geschult.
Die meisten meiner Arbeiten entstehen aber ganz aus sich heraus. Ich fange einfach an, den Ton zu modellieren, meist ohne eine bestimmte Vorstellung, in welche Richtung es gehen soll. Und nachdem ich den Ton unterschiedlich lange bearbeite habe, sehe ich darin irgendwann plötzlich ein Antlitz. Manchmal verändert sich das noch während des Modellierens, doch relativ oft ist es so, dass sich das zum Beispiel um eine Nase herum aufbaut. Das geschieht jedoch unbewusst, wie im Grunde der ganze Prozess des Modellierens. Es kann sein, dass ich in absoluter Stille arbeite, oder aber mich von Musik inspirieren lasse. Musik ist für mich generell schon immer eine wichtige Inspirationsquelle gewesen, auch für meine Theaterarbeit. Ich höre zum Beispiel viel Filmmusik und würde mich selbst als einen Filmenthusiasten bezeichnen. Und beim Modellieren kommt oft der Punkt, in dem ich die Musik auch tatsächlich brauche, weil sie bestimmte Stimmungen in mir wachruft, die sich wiederum auf den Ton übertragen. Es kann aber auch vorkommen, dass ich während des Modellierens konkrete Bilder oder Ausdrücke bestimmter Schauspieler vor meinem inneren Auge sehe. Sehr beeindruckend und prägend war für mich, nicht nur für meine Theaterarbeit, beispielsweise Robert Shaw, den ich mit 11 Jahren im „Weißen Hai“ das erste Mal sah. Aber auch andere bildende Künstler, Gottfried Helnwein zum Beispiel, der mich ebenfalls stark geprägt hat. Wobei man meine Arbeit vielleicht nicht gleich mit seiner in Verbindung bringen würde. Außer, dass auch ihm das Schreckliche (und der Begriff kann jetzt sehr viel umfassen und bei ihm sind es natürlich mehr konkrete gesellschaftliche Tabu-Themen, die er anspricht) ein wichtiges Element ist. Es kann sein, dass solche Bilder während des Modellierens in mir aufflackern, oder aber ich schlage tatsächlich ein Buch auf und sehe mir Details von Fotografien an. Was macht der da, wie sehen die Zähne aus, wie das Zahnfleisch. Ich lasse mich dann eher von Bildern inspirieren, als dass ich mich selbst vor den Spiegel stelle. Ein verbindendes Element zwischen dem Modellieren und Schauspielerei ist, das beides ganz stark mit Ausdruck zu tun hat. Meine Skulpturen sind meist nicht abstrakt und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, spielt das Gesicht immer eine große Rolle. Es sind Charakterköpfe. Und auch Schauspieler sind für mich im besten Falle Charakterköpfe. Es gibt da natürlich auch so etwas wie die blendenden Stars, doch eigentlich war Schauspielerei für mich immer ein „totaler Ausdruck“, sei es von Emotionen, oder was auch immer in einer Geschichte eben verhandelt wird. Dafür braucht man für meinen Geschmack eine Visage. Ich habe wirklich viele Filme gesehen und fand viele Schauspieler gut, doch was haften geblieben ist und letztlich meine Arbeit oder auch mich selbst geprägt hat, das waren immer diejenigen, die einfach aus sich heraus eine Energie ausstrahlen und versprühen - Charakterköpfe eben. X |
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Eine Onlineausstellung der Galerie Tellerrand 01. August - 30. September 2014 Lernen Sie Jens Dornheim auch als Theatermacher kennen: www.glassbooth.de Die Galeristen: André Wülfing, Ulrich Penquitt, Jesse Krauß, Michael Walter Musik: Michael Walter Fotos: Jesse Krauß Mit Unterstützung durch: >>> ZUR STARTSEITE DER GALERIE |