… der Titel des BeeGees-Songs ist Titel unserer aktuellen Ausstellung. Er liefert zugleich ein zentrales Thema der Arbeiten Piaydas: Tiefe. Seit der Renaissance stellt die Erzeugung, die Herstellung von Dreidimensionalität in einem zweidimensionalen Medium für viele Künstler eine besondere Herausforderung dar – vor allem natürlich in Zeichnung und Malerei. Piayda transformiert diesen klassischen Topos ins Digitale. Wir blicken auf den Bildschirm unseres Computers, der heutzutage in den allermeisten Fällen ein Flachbildschirm ist. Eine zeitgenössische Form des Tafelbildes also!? Der Computer-Bildschirm gibt in verschiedenen Dimensionen Tiefe frei: Zum einen lässt er uns in die Tiefen des WorldWideWeb blicken; zum anderen aber führt uns Piayda die künstliche, virtuelle, digitale Kreation von Tiefe vor. An Architekturmodelle erinnernde Grafiken zeigen Schichten, Oberflächen, Kurven, Hintergründe.
Wir suchen nach Vertrautem, erkennen Fragmente von Stadtansichten, geologische Modelle – auch hier geht es wieder buchstäblich in die Tiefe, die aber natürlich wiederum nur virtuell ist; Tiefe, die uns durch den Künstler vorgegaukelt wird. In der Werkreihe „Model Maps“ nämlich widmet sich Piayda dem Thema Landschaft, und zwar in kartographischer Form. Die Serie zeigt topographische Reliefkarten, die die Beschaffenheit der Erdoberfläche vermeintlich in drei Dimensionen vorführt. Das Vorführen des Sehens – ein der Bildkunst inhärentes Thema seit frühester Zeit, wird hier aufgegriffen und – interessant! – in einem Medium präsentiert, auf das wir uns eigentlich verlassen zu können glauben: die Karte. Karten sind dafür da, uns Orientierung zu geben, Hilfestellung zu leisten auf unserem Weg an ein Ziel. Sie bilden in der Regel in übersichtlicher und leicht lesbarer Weise das ab, was es gibt. Fast alle Ortschaften lassen sich per Internetsuche auch „verorten“. „Subata“ aber beispielsweise führt zu keinem Treffer. Und ob diese Karten überhaupt das Terrain der entsprechenden Ortschaften wiedergeben, bleibt das Geheimnis des Künstlers. Es ist ein Spiel mit Schein und Sein. Wie es in Subata tatsächlich zugeht, wie es dort aussieht, können wir uns vielleicht bloß in unserem Kopf ausmalen!
Die berühmte Serie „Vier Jahreszeiten“ des italienische Meisters des Manierismus Arcimboldo führt uns das „neue Sehen“ vor Augen: Auf den ersten Blick sind hier Porträts im Profil zu erkennen, auf den zweiten aber zerfallen die Bilder in Obst, Gemüse und Pflanzen. Bei Piayda ist es interessanterweise genau umgekehrt: Auf den ersten Blick sehen wir in seinen Jahreszeiten reliefartige Strukturen und Oberflächen, die erst bei genauerem Hinschauen an Tiefenstruktur gewinnen und sich zu einem Bild zusammenschließen.
Bemerkenswert im Hinblick auf diese Portraits scheint mir ferner: Der Mensch, der bislang eher am Rande des Piayda'schen Schaffens einen Platz fand, wird hier zum ersten Mal und im Grunde unverstellt gezeigt, er rückt in den Mittelpunkt des Interesses. Aber dieser Schein trügt! Wenn wir uns nämlich vor Augen führen, dass auch die Bilder Arcimboldos den Menschen mit Material aus Früchten und Pflanzen zusammensetzen, kommt man vielleicht auch im Falle Piaydas letztlich zum dem Schluss, dass das uns so natürlich erscheinende und so vertraute menschliche Antlitz letztlich nicht zu mehr dient, als das Materialreservoir für die Motivfindung zu bilden. Denn Piaydas Arbeit ist zunächst und in allererster Linie ein Spiel mit dem Material und der Frage danach, was man aus ihm für die Bildkonstruktion gewinnen kann. Letztlich behalten uns so die Inhalte der Bilder in gewisser Weise auf Distanz zu sich, sie wirken merkwürdig kühl und gleichsam objektiviert.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Ausstellung bildet das Video. Eine Arbeit sei an dieser Stelle beispielhaft beschrieben. “Watergate“ beginnt mit einem Bildausschnitt, einer Einstellung, die aufgrund der Lichtatmosphäre – warme Gelbtöne von Straßenlaternen bilden einen Kontrast mit dem kühlen Weiß-Blau des Abendhimmels – vielleicht am ehesten an Straßenansichten von Edward Hopper erinnern. Der rechte Teil der Einstellung ist unbewegt, wie eine Fotografie; in dem linken Einstellungsteil tänzeln stetig Lichtreflexe auf der bewegten Wasseroberfläche. Wenn sich das Bildzentrum in Form des kleinen Bootes in Bewegung setzt und die Kamera in einem Zoom diese Bewegung mitvollzieht, gerät die rechte, unbewegte Ecke der Kameraeinstellung zunehmend aus dem Fokus und verschwindet letztlich ganz. Was bleibt, ist die ruhig fließende Bewegung der Wasseroberfläche und das fahrende Boot. Ein Schleusentor schließt sich: „Watergate“.
Mehr sei nun nicht verraten, da wir ja auch noch ein ausführliches Interview mit Sven Piayda geführt haben, welches in der virtuellen Ausstellung abrufbar ist! #howdeepisyourlove zeigt digitale Vielfalt.
Ich wünsche Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher, einen erkenntnisreichen Besuch in der aktuellen Ausstellung der Galerie Tellerrand.
Sven, wenn man sich Deinen Werkkatalog ansieht, fällt auf, dass Du Dich mit den Jahren immer stärker der digitalen Kunst verschreibst. Stand vor einigen Jahren noch die klassische Fotografie im Mittelpunkt Deines Interesses, meint man jetzt, dass Du dieses Vorgehen nahezu komplett hinter Dir gelassen hast. Auf vielen Deiner aktuellen Arbeiten z.B. erscheinen mit dem Computer generierte Skulpturen, einige scheinen gar komplett vom Rechner erzeugt. Wie erklärst Du Dir diesen Wandel?
Welche Rolle spielt die Fotokamera in Deiner aktuellen Arbeit?
Ein weiteres Medium gewinnt in letzter Zeit an Bedeutung in Deiner Arbeit: das Video, der Film! Was kann Video, was das Foto so nicht kann?
Zum Titel der aktuellen Ausstellung: „How deep is your love“ Spielt er vielleicht an auf unsere digitale Umgebung, auf die aus dem Pixel heraus geschaffene schöne, neue Welt? Das könnte ich mir denken, bin mir aber nicht sicher...
Stichwort „Sound“: Du bist seit Jahren mit AESTATE auch in der musikalischen Welt beheimatet. Hast Du eine bevorzuge Kunstform? Oder sind das für Dich unterschiedliche Ausdrucksformen der gleichen Sache?
Videokunst ist zwar jung aber schon sehr unterschiedlich in der Ausprägung. Ich mag keine Videos, die eher Dokumentation einer Performance sind, auch finde ich gängige filmische Erzählung eher schwierig. Das bitte ich nicht falsch zu verstehen, es sind gängige Möglichkeiten die künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten voraussetzen, aber ich finde sie im installativen Kontext einer Galerie oder eines Museums eher schwierig.
Videokunst erfordert - im Gegensatz zu klassischer Bildkunst - eine technisch aufwändigere und komplexere Präsentationsform. Worin siehst Du die Potentiale und Herausforderungen von Videokunst?
Ich bin in Gelsenkirchen geboren und habe dort auch bis 2003 gelebt. Damals wollte ich nicht weg, heute könnte ich es mir nicht mehr vorstellen, zurückzuziehen. Aus dem Ruhrgebiet bin ich dennoch nicht rausgekommen, es gefällt mir hier sehr gut und wir haben es hier auch sehr gut. Wir sind ein riesiger Ballungsraum mitten in Europa, hier gibt es alles, was man zum guten Leben braucht. Und ich finde es sogar schön hier. Die Stadtgrenzen nehme ich zwar wahr, aber Lokalpatriotismus bringe ich nicht mit, alle Städte haben schöne und weniger schöne Ecken, Mülheim gefällt mir sehr, aber ich bin auch schnell und viel in Essen, wo ich auch lange Zeit gelebt habe. Kannst Du uns etwas über Deine Projekte in den kommenden Monaten erzählen? Was steht an?
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#howdeepisyourloveSven PiaydaEine Ausstellung der Galerie Tellerrand 1. Oktober - 31. Dezember 2015 Die Galeristen: Michael Walter, André Wülfing, Jesse Krauß, Ulrich Penquitt www.svenpiayda.com Mit Unterstützung durch: ![]()
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